Einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart ist tot. Günter Grass starb am Morgen im Alter von 87 Jahren in einer Klinik in Lübeck, wie der Steidl Verlag mitteilte. 

Der in Danzig geborene Autor war auch als Bildhauer, Maler und Grafiker tätig. Als Verfasser zahlreicher Erzählungen, Romane und Gedichtbände wurde er 1959 schlagartig berühmt durch seinen ersten Roman Die Blechtrommel, der ihn international bekannt machte. Grass erzählt darin von den Erlebnissen des aus Danzig stammenden Zwergs Oskar Matzerath, der sich mit drei Jahren weigert, weiter zu wachsen. Der Bildungs- und Schelmenroman rief in der Bundesrepublik Sittenwächter auf den Plan, die sich an den teils deftigen erotischen Szenen störten. Dennoch gehört das Buch zu den wichtigsten Romanen der deutschen Nachkriegsliteratur und gilt als Jahrhundertwerk.


Seit den Buddenbrooks von Thomas Mann habe kein Erstling einen derartigen Aufruhr verursacht, befand das Nobelpreiskomitee, das ihm 1999 die höchste Ehrung für Schriftsteller, den Nobelpreis für Literatur, zuerkannte. Die Blechtrommel-Verfilmung von Regisseur Volker Schlöndorff erhielt 1980 den Oscar für den besten ausländischen Film.

Der zuletzt in Behlendorf bei Lübeck lebende Grass hatte nach dem Krieg eine Steinmetzlehre gemacht und in Düsseldorf und Berlin Kunst studiert. Die Blechtrommel bildet zusammen mit der Novelle Katz und Maus (1961) und dem Roman Hundejahre (1963) die sogenannte Danziger Trilogie

Aufschrei ausgelöst wegen Mitgliedschaft in Waffen-SS

Weitere wichtige Werke sind die Novelle Aus dem Tagebuch einer Schnecke, die Romane Der Butt (1977) und Die Rättin (1986), das skandalumrankte Buch Ein weites Feld (1995) sowie die Novelle Im Krebsgang (2002). Fast ein halbes Jahrhundert nach der Danziger Trilogie schrieb Grass seine Erinnerung der Trilogie mit drei autobiografischen Bänden.  

Der erste autobiografische Band Beim Häuten der Zwiebel löste 2006 einen Aufschrei aus. Überraschend machte Grass öffentlich, er sei als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS gewesen. Dem Autor wurde vorgeworfen, seine SS-Zugehörigkeit zu lange verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte er zu der berühmten Autorengruppe 47.

Steinmeier "tief bestürzt"

In der Bundesrepublik engagierte sich Grass schon seit den 1960er Jahren als Gesellschaftskritiker und warb seitdem in Wahlkämpfen für die SPD. Aus Protest gegen deren Asylpolitik trat er 1992 zwar aus der Partei aus, blieb ihr aber bis zuletzt verbunden. Früh setzte er sich auch für eine deutsch-polnische Verständigung und für den Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete ein. Immer wieder löste er heftige Kontroversen aus, zuletzt 2012 wegen eines israelkritischen Gedichts.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, er sei "tief bestürzt". Grass sei ein großer Bürger und Sohn der Stadt Lübeck, wie ein Außenamtssprecher sagte. Es sei tragisch, dass Grass jetzt gestorben sei, einen Tag, bevor die Welt auch wegen eines G-7-Außenministertreffens in Lübeck auf die Stadt blicken werde. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe sprach von einem "schweren Verlust für Lübeck, aber auch für die deutsche und die internationale Literatur".

Einen Nachruf auf Günter Grass lesen Sie hier