YouTube verkündet in diesen Tagen viele gute Nachrichten. Am vergangenen Wochenende kamen 6.000 junge Menschen in Berlin zusammen, um andere junge Menschen zu bejubeln. Zum ersten Mal fanden hier die Video Days statt, das nach eigenen Angaben größte YouTuber-Treffen Europas. Am gleichen Wochenende eröffnete YouTube den ersten Creator Space in der Hauptstadt: ein Studio, das die Videomacher zusammenbringt. Und auch beim Deutschen Webvideopreis Mitte Juni werden wieder YouTube-Kanäle und Videos gekürt.

Webvideo ist YouTube und YouTube ist Webvideo, jedenfalls wenn es um nutzergenerierte Inhalte geht. So schien es die vergangenen Jahre zu sein. Die Google-Tochter feiert gerade ihr zehnjähriges Bestehen, inzwischen werden mehr als 300 Stunden Videomaterial in jeder Minute hochgeladen. YouTube hat Hobbyfilmer zu Millionären gemacht, Wohnzimmersänger zu Popstars, und es hat neue Wirtschaftszweige geschaffen.

Was YouTube aber auch ist: behäbig, selbstgefällig und auch ein bisschen "out" in der jungen Zielgruppe. "Das Produkt hat einige Probleme", sagt der Medienwissenschaftler und Webvideo-Experte Bertram Gugel auf der diesjährigen re:publica. Gleich mehrere Vorträge und Diskussionsrunden beschäftigen sich mit YouTube, seinen Konkurrenten und möglichen Alternativen. 

Futter für den Algorithmus

Einige von YouTubes Problemen seien hausgemacht, sagt Gugel. Die verpflichtende Einführung von Google+ zur Anmeldung und den Kommentaren mag den Protest der Nutzer überstanden haben. Der Community war die Entscheidung, das eigene soziale Netzwerk mit solchen Zwangsmitteln zu fördern, allerdings nicht zuträglich.

Dazu kommt, dass YouTube zunehmend häufig das Verhalten seiner Nutzer beeinflusse: Wer heute erfolgreich sein will, müsse vor allem "den Algorithmus füttern", sagt Gugel. Das bedeutet etwa, dass viele YouTuber ihre neuen Videos zu ähnlichen Zeiten veröffentlichen. Nämlich immer dann, wenn die meisten Abrufe winken. Es gibt Anforderungen an Titel, das Vorschaubild und sogar die Genres: Neben Games, How-To und klassischen Vlogs hätten es andere Inhalte schwer. In den vergangenen Jahren sind Aspekte wie Sendeplanung und Quote, also klassische TV-Strukturen, zunehmend auch auf YouTube zu finden.

Auch in der Entwicklung habe YouTube einige Trends verschlafen oder zu zögerlich umgesetzt. Die in diesem Frühjahr vorgestellte Plattform für Kinder wurde bereits 2011 erstmals angekündigt. Die vor drei Jahren großangekündigte Initiative mit eigenfinanzierten Kanälen floppte, ebenso die Übernahme des Live-Streaming-Dienstes twitch.tv. Der gehört jetzt Amazon.

Vertikale Videos sind Teil einer neuen Ästhetik

Twitch ist ein Beispiel dafür, wie Plattformen im Schatten von YouTube erfolgreich sein können. Von Anfang an konzentrierte sich der Dienst auf Livestreams und fand seine Zielgruppe in Videospielern, die ihre virtuellen Schlachten vor Publikum ausfechten wollten. Da E-Sports im Fernsehen kaum stattfindet und YouTube Livestreams stiefmütterlich behandelt, konnte twitch.tv gedeihen. Ein anderes Beispiel ist Vimeo, das vor allem professionelle Filmemacher ködert, die sich in der Masse von YouTube nicht wohlfühlen.

Andere Dienste greifen die veränderten Produktionsbedingungen auf: Wozu ein Video erst aufnehmen, dann schneiden und irgendwann später auf YouTube laden? Wer ein Smartphone nutzt, hat nicht nur die Kamera dabei, sondern gleichzeitig auch einen Kanal in Form seiner Freundesliste. Kreation und Distribution fallen zusammen. Livestreaming-Apps wie Periscope und YouNow zielen ebenso darauf ab wie Messenger wie Snapchat oder die Kurzvideos von Vine oder Instagram.

Diese neuen Dienste bringen nicht nur neue Produzenten, sondern auch eine neue Ästhetik mit sich. Vine und Instagram machen Stop-Motion für jedermann realisierbar und zeigen, was in sechs Sekunden alles möglich ist. Snapchat führt etwas ein, das auf YouTube verpönt ist: vertikale Videos. Die sehen auf einem großen Bildschirm tatsächlich schlimm aus, sind aber ideal für das schnelle Konsumieren auf dem Smartphone. Genau diesen kleinen Bildschirm möchte Snapchat bespielen. Schneller und direkter, als es YouTube zurzeit ermöglicht.