Es ist ein Frühlingstag auf der griechischen Insel Kastelorizo, der Himmel erstrahlt, das Meer lädt zum Baden ein. Wenn man einen Tag nennen müsste, an dem die Eurokrise ihren Lauf nahm, dann ist es der 23. April 2010. An diesem Tag leistet Giorgos Papandreou auf der griechischen Urlaubsinsel einen Offenbarungseid. Griechenland steht vor der Pleite, verkündet der damalige Ministerpräsident. "Unsere Partner werden uns entschieden helfen, in den sicheren Hafen einzulaufen."
Einige
Stunden später, zwei Uhr nachts, US-Westküstenzeit: Ein Flugzeug
landet auf einem Militärflughafen wenige Kilometer außerhalb der
Hauptstadt Washington D.C. Darin sitzt
Griechenlands damaliger Finanzminister Giorgos Papakonstantinou. Er
soll zu einem Frühstück mit den Top-Funktionären der drei
Institutionen zusammenkommen, die später als Troika in die
Geschichte eingehen werden:
mit Dominique Strauss-Kahn, dem Direktor des Internationalen Währungsfonds, mit Jean-Claude Trichet, dem Präsidenten der
Europäischen Zentralbank und mit Olli Rehn, dem EU-Kommissar für
Wirtschaft und Finanzen.
Die vier Männer diskutieren die Möglichkeiten einer schnellen Rettungsaktion für Griechenland. Wie viel Geld das Land benötigen würde, wie der Deal aussehen könnte, sagt Papakonstantinou rückblickend in einem Interview. Geführt hat es Paul Blustein. Der amerikanische Investigativjournalist und Autor schreibt gerade ein Buch über den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Rettung Griechenlands. Zwei Kapitel sind beim amerikanischen Thinktank CIGI bereits veröffentlicht worden. Darin wird Papakonstantinou auch zitiert mit den Worten, es sei ihm in diesem Frühstücksgespräch deutlich gemacht worden: Griechenland muss seine Schulden vollständig zurückzahlen. Ein Verzicht der Gläubiger sei ausgeschlossen. "Es wurde mir sehr klar gesagt: 'Giorgos, vergiss es!'"
Was
der griechische Finanzminister nicht wusste: In diesen
Frühlingstagen 2010 wurde sehr wohl an einem Plan zur
Reduzierung der griechischen Schulden gearbeitet. Das behauptet
zumindest Blustein.
Beteiligt gewesen seien sollen Vertreter des IWF und – das ist bemerkenswert –
des deutschen und französischen Finanzministeriums.
"Von diesen Gesprächen in einem Hotel in Washington existieren
meines Wissens nach nicht einmal Protokolle, weil sie so streng
vertraulich waren", sagte Blustein ZEIT ONLINE. Ein Beteiligter,
mit
dem
Blustein darüber
sprechen wollte,
habe ihm geantwortet: "Über dieses Thema werde ich nicht
sprechen, bis ich tot bin."
Das Bundesfinanzministerium hat auf Anfrage von ZEIT ONLINE ein solches Treffen in Washington weder bestätigt, noch dementiert. "Das politische Augenmerk der Bundesregierung war zu Beginn der Griechenlandkrise vor allem darauf gerichtet, einer Ansteckungsgefahr für andere europäische Mitgliedstaaten erfolgreich gegenzusteuern", teilte eine Sprecherin mit. Im Fokus habe dabei nicht die Frage eines Schuldenschnitts für Griechenland gestanden.
Worum ging es also dann in dem Washingtoner Treffen? Blustein zufolge haben sich die Experten des IWF für einen Schuldenschnitt ausgesprochen: "Wir gehen davon aus, dass die Schulden Griechenlands nicht mehr tragbar sind", sollen sie bei dem Treffen gesagt haben. "Wir müssen jetzt über eine Umschuldung reden." Die Vertreter des deutschen und französischen Finanzministeriums seien zunächst empfänglich für diese Sicht der Dinge gewesen.
Auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel habe anfangs den Eindruck erweckt, dass sie
die Banken nicht aus der Verantwortung lassen wolle, schließlich
waren diese ein hohes Risiko eingegangen, als sie dem hochverschuldeten Griechenland immer weiter Kredite gewährten, schreibt
Blustein.
In ihrer Regierungserklärung zum ersten Hilfspaket am 5. Mai 2010
sagte Merkel zwar den berühmten Satz: "Die beschlossenen Hilfen
sind alternativlos", und schloss damit eigentlich einen
Schuldenschnitt aus. Trotzdem deutete sie in der derselben Rede an,
dass sich auch die Banken und privaten Gläubiger "an den Hilfen
beteiligen" müssten. Am Ende hat es zwei Jahre gedauert, bis es endlich zu einer solchen Beteiligung gekommen ist.
"Sie hatte den richtigen Instinkt", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Ashoka Mody. Er leitete bis 2009 die Europa-Abteilung des Internationalen Währungsfonds und ist nun Professor an der US-Universität Princeton. "Frau Merkel wurde jedoch davon überzeugt, dass dies kein guter Zeitpunkt für einen Schuldenschnitt sei", sagt Mody. "Nur: Für einen solchen Schritt gibt es niemals einen guten Zeitpunkt."
Es ist ein Frühlingstag auf der griechischen Insel Kastelorizo, der Himmel erstrahlt, das Meer lädt zum Baden ein. Wenn man einen Tag nennen müsste, an dem die Eurokrise ihren Lauf nahm, dann ist es der 23. April 2010. An diesem Tag leistet Giorgos Papandreou auf der griechischen Urlaubsinsel einen Offenbarungseid. Griechenland steht vor der Pleite, verkündet der damalige Ministerpräsident. "Unsere Partner werden uns entschieden helfen, in den sicheren Hafen einzulaufen."
Einige
Stunden später, zwei Uhr nachts, US-Westküstenzeit: Ein Flugzeug
landet auf einem Militärflughafen wenige Kilometer außerhalb der
Hauptstadt Washington D.C. Darin sitzt
Griechenlands damaliger Finanzminister Giorgos Papakonstantinou. Er
soll zu einem Frühstück mit den Top-Funktionären der drei
Institutionen zusammenkommen, die später als Troika in die
Geschichte eingehen werden:
mit Dominique Strauss-Kahn, dem Direktor des Internationalen Währungsfonds, mit Jean-Claude Trichet, dem Präsidenten der
Europäischen Zentralbank und mit Olli Rehn, dem EU-Kommissar für
Wirtschaft und Finanzen.