Das Angenehme an Trends heute ist, dass sie nicht mehr neu sein müssen. Sich rasend übers Netz verbreitende Phänomene dürfen gern auch mal so alt sein wie die menschliche Anatomie. Man muss nur ein griffiges Wort dafür finden.

Buchstäblich am eigenen Leib erfahren das derzeit Männer mit kleiner Wampe. Gemeint ist nicht der breit gewölbte Schmerbauch, sondern die Form des sympathisch-gleichmäßigen Körperumfangs von Schulter bis Hüfte, dem Standardkörper für Herren ab 35 also. Bisher stand deren Körpermitte nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses, der Mann trug das Bäuchlein kommentarlos und unkommentiert mit sich herum. Jetzt endlich aber, im Jahr 2015, hat der Bauch seinen großen Auftritt: Denn der daran hängende Körper hat einen neuen Namen bekommen: Dadbod – eine Kurzform von Daddy-Body. Der Begriff beschreibt so etwas wie die Silhouette des typischen Familienvaters: So sieht Papi aus, wenn er es zwischen Job, Kindern und Feierabendbier nicht mehr so häufig zum Sport schafft.

Bekannt wurde der Begriff durch einen Artikel der College-Studentin Mackenzie Pearson. Sie hat auf dem Studenten-Blog The Odyssee eine Hymne auf diesen Männerkörper geschrieben. Die bildhauerische Nachlässigkeit spornte sie zu dem Plädoyer an, Männer und Frauen sollten den Bauchansatz endlich zu schätzen zu wissen. Pearson beschreibt den Dadbod als Körper im Gleichgewicht zwischen Bierbauch und Trainiertheit. Sie feiert den Sexappeal des Unperfekten.

Doch der Dadbod ist kein Symptom für einen neuen Männergeschmack: Sprechen Frauen über Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Modelle von Männerkörpern, hört man immer wieder den Satz "Ich mag Männer, an denen man sich festhalten kann". Die Autorin drückt das in ihrem Artikel nur etwas anders aus: "Niemand möchte gerne mit einem Stein kuscheln."

Neu dagegen ist, wie erleichtert die Männer die Lobpreisung des in der Mitte weich gewordenen Mannsbildes aufnehmen: Unter dem Hashtag #DadBod kam man sich in sozialen Netzwerken nun unzählige Bäuche in unterschiedlichen Wölbungsgraden anschauen. Mit einem kollektiven Seufzen entspannen Männer aller Herren Länder ihre Bauchmuskeln und fühlen sich wohl in ihrer Haut. Einige schaffen es sogar, trotz der steilen Neigung (Dadbod ist nicht Fatbod) eine Bierflasche auf ihrem Bauch abzustellen. Selbstverständlich wurden auch bereits Prominente zu Dadbod-Ikonen erhoben: Leonardo DiCaprios Körper entspricht derzeit einem Dadbod, ebenso wie Adam Sandlers. Dagegen ist Chris Pratt, Hauptdarsteller des neuen Jurassic Park, seinem Dadbod untreu geworden: Früher, als Comedy-Schauspieler in der Serie Parks And Recreation, trug er Wämpchen, als Actionheld geht dann doch nur Sixpack.

Wenn es so etwas gibt wie eine natürliche Physik der Geschlechter, dann ist der Dadbod die Umkehrung davon. Die Medizin empfiehlt Männern einen geringeren  Körperfettanteil als Frauen. Rundungen gelten gemeinhin als weiblich; der eckige, feste Körper als männlich. Doch während Frauen damit beschäftigt sind, ihren Körper zu straffen und härten, erlaubt sich der Mann nun mit dem Dadbod-Bauch etwas mehr Weiblichkeit.

Wahrscheinlich erzeugt das Schlagwort Dadbod so viel Aufmerksamkeit, weil es sehr plastisch die Rolle des modernen Familienvaters repräsentiert, gegossen in eine etwas ausgebeulte Form. Wie die Mutter muss der Vater heute zwischen Kind und Job jonglieren. Die Modellation des Körpers stellt er hinten an. Oder anders gesagt: Ein Sixpackträger ist kein guter Papa. Der Dadbod füllt die Lücke zwischen durchtrainiertem Hedonisten und Fettwanst, der sich aufgegeben hat.

In Wahrheit aber ist der Dadbod-Hype eine Mogelpackung. Vordergründig preist er die unperfekte Männerfigur. Hintergründig aber macht er sich über Väter lustig. Die Autorin des Artikels ist 19 Jahre alt. Wenn sie die Bäuchigkeit ihrer Kommilitonen lobt, sagt sie in Wahrheit: Ihr seht zwar ein bisschen aus wie eure Väter, die ihr etwas albern findet, aber: Get over it.

Der Dadbod reiht sich ein in eine Schlagwortserie der Dad-Begriffe, mit denen sich auf freundliche Art über Väter lustig gemacht wird. Dadcore beschreibt Dinge, die Väter mögen: Seltsame Bands aus den 1970er Jahren. Fleecepullis. Saxophonsolos. Festnetztelefonie. Das ist der wahre Trend hinter dem Dadbod, der sich hinter der reinen Körperlichkeit verbirgt: Der gesellschaftliche Wandel der Vaterfigur von der unnahbaren Autorität hin zum soften und liebenswürdigen Typen, den man nicht so ernst nehmen muss.