ZEIT ONLINE: Herr Krengel, Sie plädieren dafür, dass Manager mehr Urlaub nehmen sollten. Warum?

Martin Krengel: Studien belegen, dass vor Deadlines unsere Produktivität stark ansteigt. Diesen Effekt gibt es auch vor Urlauben: Wir sind voller Tatendrang und stark fokussiert auf die noch zu erledigenden Aufgaben. Würden wir dann aber weiterarbeiten, wären wir unproduktiv. Die Kreativität kehrt erst wieder, wenn wir eine längere Pause eingelegt haben und auch einen emotionalen Abstand zur Arbeit hatten. Aus diesem Grund haben wir auch selten die besten Ideen am Arbeitsplatz.

Von Führungskräften wird ständige Erreichbarkeit verlangt. Sie sind daher schlecht in der Lage, wirklich Abstand zu gewinnen. Darum empfehle ich, dass gerade Manager öfter Urlaub machen sollten.

ZEIT ONLINE: In Ihrem Buch Golden Rules zeigen Sie, wie jeder seine Produktivität steigern kann. Wie geht das?

Krengel: Eine clevere Organisation, die unser Arbeitsumfeld gut strukturiert, hält uns den Effizienzkiller Unentschlossenheit vom Hals. Und auch Motivations- und Konzentrationsprobleme belasten unsere persönliche Produktivität. Deswegen muss man Zeitmanagement umfassender denken.

Es braucht nach meiner Meinung fünf Schlüsselqualifikationen: Selbstcoaching, Motivation, Zeitmanagement, Konzentration und Organisation für die persönliche Produktivität. Diese habe ich in den Golden Rules zusammengetragen. Das ist Sammlung von 50 Techniken, die zum effektiven Lernen und Arbeiten hilfreich sind. Diese Regeln regen zum Denken an und unterstützen beim bewussten Umgang mit der eigenen Zeit.

ZEIT ONLINE: Klingt nach schönen Schlagworten. Was meinen Sie damit konkret?

Krengel: Mit Selbstcoaching meine ich, dass man Unsicherheiten abbauen und Arbeiten systematisch angehen muss, wenn man schwierige Aufgaben lösen will. Seine Motivation beeinflussen kann man, wenn man weiß, dass sie neben einer geistigen Ebene wie etwa Erwartungen und Ziele auch eine körperliche hat: Vernachlässigen wir beispielsweise unsere Grundbedürfnisse wie Schlaf, gute Ernährung und soziale Kontakte, dann rebelliert unser Körper. Dann versagt unser Kopf. Denn nur die Balance der verschiedenen Lebensbereiche hält die Antriebskraft hoch.

Einen klaren Kopf behalten wir, wenn wir den Unterschied kennen zwischen wichtigen Dingen und solchen, die sich nur wichtig machen.

ZEIT ONLINE: Was sind das für Dinge?

Krengel: Vermeintlich wichtige Aufgaben sind eigentlich unwichtige Tätigkeiten, die aber oft viel konkreter und schneller zu erledigen sind als unsere Kernaufgaben. Oder die jemand anderes als besonders wichtig erscheinen lässt, obwohl sie das für uns nicht sind. Erledigen wir zuerst solche Aufgaben, verzetteln wir uns schnell und haben keine Zeit oder Kraft mehr, unsere großen Baustellen anzupacken

ZEIT ONLINE: Was kann man für seine Konzentration tun?

Krengel: Die Kunst hoher Konzentration und damit hoher Produktivität besteht darin, die Balance zwischen Über- und Unterforderung zu schaffen. Uns stören Müdigkeit, Unwille oder auch innere Unruhe beim Denken. Konzentration hat viel mit Energie zu tun. Und weil es Zustände und Zeiten gibt, in denen ich viel Energie habe, sollte jeder seinen Tagesablauf darauf anpassen. Eine Möglichkeit ist eine To-do-Liste, die auf der linken Seite denkintensive Aufgaben auflistet, für die ich viel Aufmerksamkeit brauche, und auf der rechten Seite kleinere Tätigkeiten wie Telefonate, Mails, Organisatorisches und anderes aufführt. Da man zuerst links mit dem Lesen beginnt, signalisiert diese Position Priorität. Und je höher die To-dos auf der Liste stehen, desto wichtiger empfindet unser Gehirn sie.

ZEIT ONLINE: Wie kann man sich besser organisieren?

Krengel: Unordnung und chaotische Abläufe fressen oft Zeit. Besser ist, aufzuräumen – ganz im wörtlichen Sinne. Denn wir brauchen Struktur. Die Klarheit im Umfeld überträgt sich auch auf mein Denken und meine Arbeitsprozesse. Daher lautet meine These: "Ordnung im Umfeld = Ordnung im Kopf".

ZEIT ONLINE: Ihre Regeln klingen ja ganz gut, aber was, wenn mir die Selbstdisziplin fehlt?

Krengel: Alle Planung und Theorie nützt natürlich nichts, wenn man seine Aufgaben nicht anpackt. Allerdings nützt auch eine schlechte Planung nichts. Fehlen zudem Termine und man muss seinen Tag selbst einteilen, fehlt Druck von außen. Hat der Tag so keine Struktur, erschwert das die Selbstdisziplin zusätzlich.

Man kann seinen Tag in Blöcke à 1,5 bis zwei Stunden einteilen. So bestimmen Sie konkrete Ziele für jeden Arbeitsblock und gedulden sich mit Kleinigkeiten bis zur nächsten Pause. Dann arbeiten Sie systematischer und konzentrierter.

ZEIT ONLINE: Wie könnte so ein Tagesplan aussehen?

Krengel: Beginnen Sie mit einer Einstimmung auf Ihre Aufgaben: Was gibt es heute zu tun? Was ist wann sinnvoll? Wie kann ich To-dos kombinieren, delegieren oder abschließen?

Arbeiten Sie streng Ihre Prioritäten ab und fragen Sie sich, wenn Sie unsicher sind: Was geschieht, wenn ich das nicht erledige? Wenn ich heute nur eine Sache tun könnte, welche wäre das? Wenn ich heute Abend nach Hause gehe, was möchte ich dann erledigt haben, um ein ruhiges Gewissen zu haben?

Und vertrösten Sie Störer immer auf die nächste Pause – denn er muss ja nur maximal zwei Stunden warten. Um aber auf unvorhergesehen Wichtiges reagieren zu können, sollten Sie immer Pufferzeiten einplanen. Beenden sollten Sie Ihren Tag mit einer persönlichen Tagesschau: Was habe ich erreicht? Was könnte besser laufen?