ZEIT ONLINE: Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verwischen immer stärker. Besonders die Jüngeren wünschen sich dabei flexible Arbeitszeiten. Wie sehen die Arbeitszeiten und Arbeitsorte der Zukunft aus, Frau Hellert?

Ulrike Hellert: Noch arbeiten die meisten Arbeitnehmer in Deutschland in festen Strukturen. In Zukunft werden die Arbeitszeiten noch flexibler. Denn wir arbeiten heute anders. Viele körperlich belastende Produktionsschritte konnten durch Technik reduziert werden, zugleich haben psychische Belastungen zugenommen, besonders durch einen hohen Termin- und Leistungsdruck.

Hinzu kommt immer mehr mobiles Arbeiten. Egal wo auf der Welt und wann: Es ist für immer mehr Beschäftigte möglich, überall und jederzeit zu arbeiten. Das kann auf Dauer aber krank machen, wenn nicht genügend Handlungsspielraum vorhanden ist.

Es gibt aber kein Arbeitszeitmodell von der Stange. In jedem Betrieb sind Ausgangslage, Ziele und Bedürfnisse unterschiedlich. Es wird in Zukunft daher vor allem viele hoch individuelle Lösungen geben.

ZEIT ONLINE: Was muss man bei solchen Arbeitszeitlösungen beachten?

Hellert: Generell ist Arbeitszeitgestaltung sehr komplex. Unterschiedlichste Einflussfaktoren wirken auf die Arbeitszeit. Andererseits beeinflusst die Arbeitszeit wichtige Lebensbereiche. Die Arbeitszeit funktioniert dann gut, wenn alle Rädchen, basierend auf den rechtlichen Grundlagen, optimal aufeinander abgestimmt sind.

Um die Arbeitszeit einerseits gesundheitsverträglich und andererseits den wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten, muss man die jeweiligen Anforderungen nach Branche und Betrieb berücksichtigen. Im Dienstleistungssektor etwa gelten hohe Ansprüche an Service, Termintreue und Qualität. Hier müssen die Arbeitszeiten oft sehr flexibel sein. Die Mitarbeiter müssen oft auch am Wochenende, an Feiertagen, spät am Abend, in der Nacht oder früh am Morgen arbeiten. In Unternehmen, in denen Mitarbeiter in internationalen Teams – oft über Kontinente und Zeitzonen hinweg – zusammenarbeiten, sind wiederum einmal ganz andere Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Hinzu kommt: Im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte sind selbstbestimmte Arbeitszeiten ein klarer Vorteil. Viele Mitarbeiter wünschen sich, ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich verteilen zu können – allein schon, um Familie und Beruf besser miteinander in Einklang zu bringen. 

ZEIT ONLINE:
Wie entwickelt man ein passendes Arbeitszeitmodell? 

Hellert: Ein Arbeitszeitmodell funktioniert nur erfolgreich, wenn es maßgeschneidert ist. Das setzt eine strukturierte und transparente Vorgehensweise voraus. Man muss die interne und externe Unternehmenssituation berücksichtigen. Und die Mitarbeiter einbeziehen. Einsätze in Schicht- und Nachtarbeit müssen fair unter den Beschäftigten verteilt sein. Bei der Dienstplangestaltung sollten möglichst viele Wünsche der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Und es kann sich lohnen, die Lebensphasen zu berücksichtigen. Heute findet die intensive Familienphase ja nicht mehr im engen Zeitfenster zwischen 23 und 30 Jahren statt.

ZEIT ONLINE: Was kann man tun, damit die Balance zwischen Leben und Arbeiten nicht auf der Strecke bleibt?

Hellert: Unternehmen tun gut daran, schon heute die künftige Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter im Auge zu behalten. Dazu ist Gesundheitsmanagement ein wichtiger Faktor. Vor allem sollten Arbeitgeber darauf achten, dass auf Phasen der Leistungserbringung auch ausreichend Phasen der Erholung folgen und die Lebensqualität stimmt. Nur so kann die Leistungsfähigkeit dauerhaft erhalten werden.