Es gibt da dieses Lied von Beyoncé, es heißt Pretty Hurts. Beyoncé, die seit ihrer Kindheit wie ein Zirkuspferd von Talentshow zu Talentshow gefahren wurde, singt davon, was es bedeutet in dieser Welt eine Frau zu sein. "Mama said, you're a pretty girl / What's in your head it doesn't matter / Brush your hair, fix your teeth / What you wear is all that matters." Der Wahnsinn von Schönheitswettwerben ist zwar in Deutschland nicht so verbreitet wie in den USA. Aber auch hierzulande hat jedes dritte Mädchen ein schlechtes Gewissen, wenn es isst. Und jedes fünfte Kind zeigt Symptome einer Essstörung.

Es ist im Grunde egal, ob die Kleinen es von Grimms Schneewittchen lernen, es von der Mutter oder von Modelmama Heidi Klum eingebläut bekommen: Pfleg dich, heg dich, rasier dich, trainier dich. Creme dein Gesicht ein, ernähre dich gesund und geh zum Spinning. Wobei es bei Letzterem ja nicht darum geht, sich aus Spaß an der Bewegung ins Delirium zu strampeln, sondern um straffer, glatter, schlanker, schöner zu werden.

Das Gefühl, das Beyoncé besingt und die alltägliche Erfahrung angeschaut und bewertet zu werden, liegt auch der Aktion #stopbodyshaming zu Grunde. Mit dem Hashtag versuchen Twitternutzer sich ihren eigenen Körper zurückzuerobern. Sie posten Bilder ihrer Bäuche, Beine, Brüste und Hintern. Einige sind weiß und weich, andere braungebrannt und straff, viele sind sehr jung. Manche posten auch nur Bilder von sich, um Komplimente zu bekommen. Weshalb sie von ihren #stopbodyshaming-Mitstreitern zwar gerügt werden. Aber gerade diese nach Komplimenten süchtigen Mädchen sind natürlich diejenigen, die am ehesten eine #stopbodyshaming-Erfahrung brauchen: Denn anscheinend ist ihr Körpergefühl völlig aus der Balance geraten. Oder wieso suchen gerade sie so verzweifelt nach einer Bestätigung ihres Äußeren, die sie offensichtlich am wenigsten zu brauchen scheinen?

Fotos von Körpern, die sich unter dem Hashtag #stopbodyshaming sammeln © Twitter Screenshot

Der Körper ist ein Kampfgebiet. Besonders im Internet, auf Instagram, Facebook, Twitter und Snapchat, wo ein Belfie, das Selfie eines Hinterns, die Grundlage einer ganzen Karriere sein kann, was die Erfolgsgeschichten von Kim Kardashian oder der Fitnesstrainerin Jen Selter beweisen. Wo jeden Tag Tausende Fotos den Besitzer wechseln, die aber weder besonders gut fotografiert noch informativ sind, sondern lediglich die Funktion haben, sich seiner selbst durch die Bestätigung anderer zu vergewissern.

Es gibt Mädchen, die wissen spätestens mit zwölf Jahren, wie sie sich vor dem Spiegel in Szene setzen: Wie sie ihre Lippen spitzen müssen, damit der Mund noch sinnlich wirkt, aber das Foto nicht von ihren Eltern einkassiert wird.  Wie sie den Kopf drehen müssen, um ihren noch jugendlich vollen Wangen eine scharfe Kante zu geben. Die Ästhetik von #stopbodyshaming bricht mit diesen eingeübten Posen. Die meisten Bilder sind nicht bearbeitet, schlecht beleuchtet und über ihnen liegt auch kein weichzeichnender Filter.

Im Gegensatz zu Kampagnen wie #ichsageja von Dove oder der Nike-Kampagne #betterforit, die den von ihnen fortdauernd reproduzierten Mangel an weiblichem Selbstbewusstsein ausnutzen, um noch mehr Cremes, Lotions, Sport-Tops und Leggings zu verkaufen, kommen Kampagnen wie #stopbodyshaming oder auch #loveyourlines aus der Mitte der Netzgemeinschaft. Im vergangenen Jahr starteten zwei Mütter auf Instagram den Hashtag #loveyourlines, der Schwarz-Weiß-Fotos von Frauen mit Schwangerschaftsstreifen versammelt, die von vielen immer noch als Makel gesehen werden, obwohl kaum eine Frau sie nicht hat. Ob mit oder ohne Baby. Hinter #stopbodyshaming und #loveyourlines stehen keine Global Player wie Dove und Nike, die Frauen das Gefühl eines höheren, schnelleren, weiteren Selbst verkaufen wollen. Sondern Männer und vor allem Frauen, für die das Internet nicht nur Multiplikationsmaschine, sondern auch Motivator und manchmal sogar Selbsthilfegruppe ist.

Aber auch im analogen Leben gibt es Grund zur Hoffnung, wie das Verbot von stark unterernährten Models auf den Pariser Laufstegen, den Erfolg einer Sängerin wie Lorde, die den Popstar-Bling-Glam-Magerlook verweigert oder das Video der Filmemacherin Kim Gehrig für den britischen Sportausschuss mit dem Titel This Girl Can und dem Motto: I jiggle therefore I am. Ich wabbel also bin ich. Das Video zeigt, dass ein Boxsack kein Geschlecht kennt und der Spaß am eigenen Körper nicht erst mit einem Foto beginnen muss.