Für die Briten wird das Jahr 2023 eine neue Ära einleiten. Nahe dem Städtchen Bridgewate an der Südwestküste, Geburtsort des legendären Admiral Blake, soll dann ein neues Atomkraftwerk an Netz gehen. Hinkley Point C wäre der erste Neubau seit 1995. Es ist ein extrem teures Prestigeprojekt, die Baukosten liegen bei 19 Milliarden Euro – mindestens. Das Großprojekt ist der Startschuss für eine ganze Reihe von neuen Baustellen: Bis zum Jahr 2030 wollen die Briten rund ein Dutzend neue Reaktoren an Netz bringen.

Während in Deutschland eine schwarz-gelbe Regierung den Atomausstieg bis zum Jahr 2020 beschlossen hat, setzen die Briten konsequent auf Kernenergie. Aber warum? Gibt es auf der Insel Argumente für Atomkraft, die noch nicht bis nach Deutschland durchgedrungen sind? Oder steckt dahinter gar ein tragfähiges Geschäftsmodell? 

Bereits vor sechs Jahren hat die britische Regierung ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, dass die CO2-Reduzierung bis zum Jahr 2050 um bis zu 80 Prozent vorsieht. Weltweit lobten Klimaschützer damals die Briten als vorbildlich, selbst Deutschland hat keine rechtlich verbindlichen CO2-Ziele.

Um den Ausstoß der Treibhausgase zu reduzieren, setzt London aber nicht nur auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und CO2-arme Kohlekraftwerke (via CCS), sondern eben auch auf Kernkraft. "Atomkraft ist überlebenswichtig für unsere Energiesicherheit", lässt die britische Regierung mitteilen. "Wir wollen, dass sie auch in Zukunft Teil unseres Energiemixes ist." Bis 2023 gehen acht von neun Meilern wegen Altersschwäche vom Netz. Sie sollen aus Sorge vor einem Blackout ersetzt werden. Die Regierung rühmt sich: Wolle man die gleiche Energiemenge statt mit Atomkraft aus Bridgewater mit Windstrom an Land produzieren, müsse man 7.000 Windräder auf einer Fläche installieren, die doppelt so groß wäre der Großraum Manchester.  

Die Briten zahlen einen hohen Preis

Die Entscheidung für Atomkraft lässt sich die Regierung einiges kosten. Im vergangenen Herbst gab Premier David Cameron den sogenannten Hinkley Point Deal bekannt. Uneingeschränkter Profiteur ist Frankreich. Schon jetzt sind die Briten auf Atomstromimporte aus Frankreich angewiesen. Jetzt soll Europas größter Energieversorger EdF Hinkley Point C bauen. Er betreibt schon jetzt alle Atomkraftwerke in Großbritannien

Das Besondere: Die britische Regierung garantiert den Franzosen für 35 Jahre einen Abnahmepreis von umgerechnet 112 Euro je Megawattstunde. Nur zum Vergleich: Aktuell kostet eine Megawattstunde in Großbritannien 64 Euro und an der Strombörse in Leipzig nur rund 40 Euro. Der Garantiepreis ist sogar an die Inflation gekoppelt, steigt also automatisch Jahr für Jahr.

Es ist ein unfassbar gutes Geschäft für die Franzosen: Roland Vetter, Chefanalyst und Energiemarktspezialist bei CF Partners in London, schätzt die aufaddierten Einnahmen für EdF in der Vertragslaufzeit auf rund 175 Milliarden Euro. Einen "fairen und ausgewogenen Deal für Verbraucher und Investoren", nennt das die EdF.

Vetter, der von sich selbst sagt, dass er Kernkraft nicht prinzipiell ablehnt, kann den Vertrag nicht nachvollziehen: "Die britische Regierung bezahlt zu viel für den Atomstrom", sagt er. Ein Grund: Die Regierung habe keine Wahlmöglichkeit gehabt: Nur EdFs Druckwasserreaktor besäße zurzeit ein Lizenz für Großbritannien. Cameron hätte drei Jahre warten sollen. Für das Jahr 2017 habe der japanische Konzern Hitachi einen neuen Reaktortyp angekündigt. "Dieser Technologie-Wettbewerb hätte den Preis mindern können", sagt Vetter.

Es gehe nicht um die Subventionierung von Atomkraft, sondern darum, gleiche Marktbedingungen für alle Co2-armen Technologien zu schaffen, verteidigt die britische Regierung ihr Vorhaben. Sie verweist darauf, dass Atomstrom im Vergleich zu Ökostrom sogar noch günstig sei.