Aus Sicht der Regierung in Kiew sollen die Unruhen in der Ost-Ukraine einen Einmarsch ausländischer Truppen provozieren. Die Unruhen im Osten seien "Teil eines Destabilisierungsplans, damit eine fremde Armee die Grenze überschreitet und in ukrainisches Territorium einmarschiert", sagte der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. "Das Drehbuch ist von der Russischen Föderation geschrieben, und das einzige Ziel ist die Zerstückelung der Ukraine." Russische Truppen stünden 30 Kilometer von der Grenze entfernt, entgegen entsprechender Forderungen aus dem Westen hätten sie sich nicht zurückgezogen. Die Ukraine werde nicht zulassen, dass ausländische Truppen einmarschierten und ukrainisches Gebiet besetzten, sagte Jazenjuk. 

Nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland ist die Sorge groß, die Regierung in Moskau könnte die Lage auch im Osten der Ukraine destabilisieren und Truppen in das Nachbarland einmarschieren lassen. Der Westen warnte Präsident Wladimir Putin mehrfach vor einem solchen Schritte und drohte mit weitreichenden Wirtschaftssanktionen.

Der tschechische Präsident Miloš Zeman hatte am Sonntag gesagt, Russland würde mit einem Einmarsch in der Ostukraine eine "rote Linie" überschreiten. "In einem solchen Fall würde ich nicht nur für die schärfsten möglichen Sanktionen plädieren, sondern sogar für eine militärische Bereitschaft des Nordatlantik-Pakts und den Einsatz von Nato-Soldaten auf ukrainischem Gebiet", sagte Zeman. Mit der Angliederung der Krim an Russland werde sich der Westen indes langfristig abfinden müssen.

Auf der annektierten Halbinsel hat es laut der Regierung in Kiew einen Zwischenfall gegeben: Ein russischer Soldat hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums auf der Krim einen ukrainischen Marine-Offizier getötet.

Mit Moskau abgestimmtes Vorgehen?

Damit wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation der Lage in der Ukraine. Seit dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch kommt es im Osten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen prorussischer Demonstranten, die auch Regierungsgebäude besetzen. Jazenjuk sagte, die Besetzer staatlicher Gebäude koordinierten ihr Vorgehen mit ausländischen Truppen. Die russische Regierung hatte mitgeteilt, ihre Bürger in der Ukraine zur Not auch militärisch zu schützen. In der Ostukraine ist der Anteil der russischsprachigen Bevölkerung hoch.

Am Sonntag hatten prorussische Aktivisten drei Verwaltungsgebäude in der Ostukraine gestürmt. Wie in Charkiw drangen sie auch in Donezk in das Gebäude ein und hissten auf dem Dach die russische Flagge. In Luhansk griffen Demonstranten ein Gebäude des Geheimdienstes an und forderten die Freilassung von Gleichgesinnten, die bei früheren Kundgebungen festgenommen worden waren.

Luhansk besetzt, Charkiw geräumt

Die Staatsanwaltschaft in Luhansk leitete deshalb ein Verfahren ein, die ukrainische Miliz in der Stadt wurde zudem in Kampfbereitschaft versetzt. Die Zufahrtsstraßen zur Stadt seien gesperrt, teilten die Behörden mit. Maskierte im Geheimdienstgebäude sollen die Waffenkammer geplündert haben.

Dagegen ist das besetzte Verwaltungsgebäude von Charkiw wieder in der Hand der ukrainischen Behörden. Das Gebäude sei "vollständig von Separatisten befreit worden", teilte der ukrainische Übergangsinnenminister Arsen Awakow mit. Er dankte allen Unterstützern, ohne anzugeben, ob bei der Räumung Gewalt eingesetzt wurde oder ob sich die Eindringlinge freiwillig zurückzogen.