Landkarten sind hochpolitisch: In der jungen Bundesrepublik war auf den Deutschlandkarten keine DDR zu sehen, sondern nur ein sowjetisch teilbesetztes Gesamtdeutschland. Aus dem sowjetischen Stalingrad wurde nach der Entstalinisierung 1961 Wolgograd, der alte Ortsname verschwand von den Karten. Und nach der jüngsten Annexion gehört die Krim zu Russland – zumindest nach Ansicht der russischen Regierung. Russische Kartendienste wie Yandex sind nachgezogen und zeigen die Halbinsel als russisches Staatsgebiet.

Auf Google Maps ist die Sache weniger eindeutig. Seit einiger Zeit nutzt der Kartendienst eine gefettete, gestrichelte Linie, um auf unklare Grenzziehungen oder anhaltende Grenzkonflikte hinzuweisen. Auch im Fall der Krim wird diese Linie verwendet, jedenfalls in der internationalen oder der deutschen Version von Google Maps.

Anders sieht es in den verschiedenen Versionen von Google Maps aus: Die russische Version schlägt die Krim Russland zu, in der ukrainischen Version gehört die Halbinsel weiterhin zur Ukraine, wie der folgende Vergleich zwischen den beiden Kartenversionen zeigt.

Die Krim-Kontroverse ist dabei nur das jüngste Beispiel für Googles Umgang mit Staatsgrenzen und Ortsnamen. Tatsächlich fügt sich Google Maps mehreren nationalen Narrativen –  je nach Land und Spracheinstellung.

Zum Beispiel im Fall Arunachal Pradesh. Der Bundesstaat im Himalaya wird seit der indischen Unabhängigkeit von China beansprucht. Vor fünf Jahren sorgte Google in Indien für eine Kontroverse, als das Unternehmen in seinem Kartendienst Teile des Bundesstaats China zuschlug und den Rest mit einer durchstrichenen Linie von Indien trennte – als "umstrittenes Territorium". Nach dem Aufschrei der Inder ging Google dazu über, in China und Indien unterschiedliche Karten der Region anzuzeigen. Das chinesische Google Maps, auch Google Ditu genannt, zeigt Arunachal Pradesh als Teil Indiens, die chinesische als Teil Chinas.

Ähnlich verhält es sich auch im indisch-chinesischen Konflikt um die Region Aksai Chin nordöstlich von Kaschmir. Die chinesische Version von Google Maps zeigt das Gebiet als chinesisches Territorium an, in der indischen Version gehört es zu Indien.

Manchmal geht es auch um Seegrenzen, so im Falle des Südchinesischen Meeres. Während die chinesische Google-Maps-Version das Meer China zuschlägt, fehlen in der internationalen Version Chinas Seegrenzen. Mit Taiwan verhält es sich umgekehrt: Der Inselstaat trägt in der chinesischen Version keine geographische Bezeichnung und scheint zu China zu gehören – die Kommunistische Partei erkennt Taiwan nicht als eigenen Staat an. In der taiwanischen und der internationalen Version aber heißt die Insel Taiwan.

Selbst um die Namensgebung von Gewässern können sich zwischenstaatliche Konflikte drehen. Seit den sechziger Jahren gibt es zwischen Iran und den arabischen Staaten einen Streit über die Bezeichnung jenes Gewässers, das in westlichen Ländern und dem Iran persischer Golf heißt. Arabische Staaten bestehen allerdings auf Arabischer Golf – folglich benutzt Google Maps in Ägypten oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten diese Bezeichnung.

Der Guardian bat Google hinsichtlich der unterschiedlichen Grenzziehung auf der Krim um eine Stellungnahme. "Google bemüht sich darum, umstrittene Regionen objektiv darzustellen", sagt ein Sprecher des Unternehmens, "und wo wir lokalisierte Google-Dienste haben, folgen wir den lokalen Namen und Grenzverläufen."