US-Präsident Barack Obama hat Russland aufgefordert, seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Dort würden Soldaten unter dem Vorwand einer militärischen Übung versammelt, sagte Obama dem Sender CBS. "Das würde Russland normalerweise nicht tun." Zwar solle das Vorgehen möglicherweise nur die Ukraine einschüchtern, es könne aber sein, dass Russland "weitergehende Pläne" habe.

Die US-Regierung geht davon aus, dass rund 20.000 russische Soldaten nahe der Ostgrenze der Ukraine stationiert sind. Die ukrainische Regierung sprach sogar von fast 100.000 Soldaten. Russland hatte Berichte über größere Truppenbewegungen dagegen dementiert.

Der russische Staatschef Wladimir Putin trauere offenbar der Sowjetunion nach und fühle sich durch den Westen ungerecht behandelt, sagte Obama. Er warnte Putin vor einem Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges. Obama sagte, er vermute, dass Putin die Politik des Westens komplett missverstehe. "Auf jeden Fall deutet er die amerikanische Außenpolitik falsch", sagte er. Seine Regierung sei ausschließlich daran interessiert, dass die Ukrainer selbst über ihr Leben entscheiden dürften. Putin rief er zu direkten Gesprächen mit der ukrainischen Regierung und Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft auf.

Ungeachtet internationaler Proteste hatte sich Russland in den vergangenen Wochen nach der Volksabstimmung die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt. Putin lobte das dortige Durchgreifen der russischen Armee. "Die jüngsten Vorgänge auf der Krim haben sowohl die Qualität der neuen Möglichkeiten unserer Streitkräfte als auch die hohe Moral der Truppe bewiesen", sagte er bei einem Treffen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Er dankte den Soldaten für ihren "rigorosen und professionellen" Einsatz.

Putin ordnete an, den ukrainischen Truppen von der Krim, die ihrem Land weiter dienen wollen, beschlagnahmte Waffen und Militärgerät wieder auszuhändigen. Die zu Russland übergelaufenen Soldaten würden ihr Material behalten, sagte Schoigu. Russland hatte mit einer Blockade verhindert, dass ukrainische Kriegsschiffe von der Krim auslaufen und diese Einheiten übernommen. 

Russland kritisierte auch die Verurteilung der Annexion durch die Vereinten Nationen: Die Resolution sei kontraproduktiv und erschwere eine Lösung der Krise in der Ukraine. Der Westen habe "die Propaganda-Maschine des Kalten Krieges" genutzt, um sich die Unterstützung einer Vielzahl von UN-Mitgliedern zu sichern. Er habe auch vor wirtschaftlichem Druck und Erpressung anderer Länder nicht zurückgeschreckt.

Janukowitsch fordert Referenden in allen Regionen der Ukraine

Auch der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch meldete sich am heutigen Freitag ein weiteres Mal zu Wort: Er forderte Referenden für jedes Gebiet des Landes. "Als Präsident rufe ich jeden vernünftigen ukrainischen Bürger auf: Lassen Sie sich von den Betrügern nicht benutzen! Fordern Sie ein Referendum über den Status jeder Region in der Ukraine!", zitiert die russische Staatsagentur Itar-Tass eine Erklärung Janukowitschs. Nur eine landesweite Volksbefragung – und keine vorgezogene Präsidentenwahl – könnte die Situation stabilisieren und die Einheit erhalten, heißt es weiter.   

Janukowitsch warf der neuen Führung um den prowestlichen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk vor, die Macht in einem bewaffneten Umsturz und "auf den Schultern von Nazi-Sturmtruppen" an sich gerissen zu haben. Janukowitsch, der sich weiter für den legitimen Präsidenten der Ukraine hält, kritisierte die Europäische Union und die USA. "Der Sturz der gesetzmäßigen Machthaber ist vom Westen außerhalb internationalen Rechts geplant worden und nicht das erste Beispiel eines solchen Szenarios", heißt es in der Erklärung. Janukowitsch war nach dem Machtwechsel in Kiew im Februar nach Russland geflohen.

Er verteidigte seine Entscheidung vom November, ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der EU nicht zu unterschreiben. Janukowitschs Weigerung hatte zu Protesten und schließlich seiner Absetzung geführt. "Es hat nicht den nationalen Interessen der Ukraine entsprochen. Diese Vereinbarung hat eine gewaltige Menge fataler Risiken für das Land beinhaltet", schreibt Janukowitsch.     

Interimspräsident Turtschinow warnt vor Rechtem Sektor

Unterdessen hat der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow vor einer Bedrohung der Ukraine durch die ultranationalistische Gruppe Rechter Sektor gewarnt. Turtschinow sagte nach Informationen der BBC, der Rechte Sektor habe es darauf abgesehen, das Land zu destabilisieren.

Anhänger des Rechten Sektors hatten in der Nacht zum Freitag das Parlament in Kiew blockiert und Fensterscheiben eingeworfen. Politiker wie die ukrainischen Präsidentschaftskandidaten Pjotr Poroschenko und Vitali Klitschko hielten die Demonstranten am Abend von einer Erstürmung des Parlaments ab.    

Grund für die Proteste ist der Tod von Alexander Musytschko, einem Koordinator der Gruppe in der Westukraine. Nach Angaben des Innenministeriums wurde er getötet, als er sich seiner Verhaftung widersetzte und das Feuer auf Polizisten eröffnete. Die Anhänger des Rechten Sektors werfen den Behörden aber vor, sie hätten Musytschko gezielt ermorden lassen.        

Die Aktion des Rechten Sektors vor dem Parlament nannte Turtschinow "einen Versuch, die Situation in der Ukraine, im Herzen der Ukraine –  in Kiew – zu destabilisieren. Das ist genau der Auftrag, den die russische Führung seinen Sondereinheiten gibt."