Schreie in der Nacht, Wutausbrüche am Tag: Julian Assanges Leben in der ecuadorianischen Botschaft in London ist über die Jahre hinweg genau dokumentiert worden. Die Botschaftsmitarbeiter haben stets ein Auge auf ihren Gast, manche Protokolle listen beinahe im Minutentakt auf, wo, wann und wie sich "Mr. Guest" in den Räumen der Botschaft bewegt. Der Journalist Fernando Villavicencio hat die Protokolle im September 2015 veröffentlicht. Sie zeigen vor allem eins: unter welch psychischem Druck Assange steht.

Beispielsweise schilderte ein Sicherheitsmann der Botschaft einen Vorfall vom Januar 2013: Aus Assanges Raum sei ein lauter Schlag zu hören gewesen. Er habe nachgesehen und die Szene mit einem Fotoapparat dokumentiert. Zu sehen sind altmodische Möbel, zugezogene Vorhänge, in der Mitte ein zerborstenes Bücherregal. Assange gab später an, das Regal sei von allein umgefallen. Die Botschaftsmitarbeiter interpretierten die Szene anders: "Diese Episode kann zurückgeführt werden auf den Stress, dem Herr Assange aufgrund seiner Isolation ausgesetzt ist."

Der gebürtige Australier war im Juni 2012 in die Botschaft Ecuadors geflüchtet, um einer Auslieferung an Schweden zu entgehen. Dort hatten ihn zwei Frauen der Vergewaltigung beschuldigt. Bis heute bestreitet Assange jegliche Schuld, befürchtet aber nach eigenen Angaben, Schweden könnte ihn wegen seiner Enthüllungen auf WikiLeaks an die USA überstellen.

Durch seine Flucht entkam er einer Anklage und Verurteilung, möglicherweise der Haft in einem US-Gefängnis, wie er befürchtet. Eingesperrt ist er trotzdem – in einem Gefängnis ohne Gitter. In einem 15 Quadratmeter großen Zimmer, das am Ende eines Flurs liegt und einen zugemauerten Kamin hat. Ausgerechnet Assange, der es nie lange an einem Ort ausgehalten hat.

Was macht das mit einem Menschen? Wie verbringt einer der bekanntesten Hacker der Welt seine Tage im Exil? In der Botschaft hat Assange ein Telefon und einen Computer mit Internetzugang. Angeblich zieht er sich nächtelang zurück, um zu programmieren. Ab und an empfängt er prominente Unterstützer und gibt eine Pressekonferenz, um der Welt in Erinnerung zu bleiben. Zu sehen ist dann meist ein sehr bleicher Mann.

Monate nach seiner Ankunft im Exil war ihm dieses bleiche Gesicht noch unangenehm gewesen. Die UV-Lampe nutzte Assange jedoch nur einmal: "Wie ein Tschernobyl-Opfer" sehe er aus, sagte er im Oktober 2012, als er vor seine Unterstützer trat. Seine Haut war aufgedunsen und gerötet wie bei einem Skifahrer nach einem zu langen ersten Pistentag. Noch ernster, als er ohnehin schon war, schildern ihn Beobachter.

Die Jahre in Isolation haben Assange verändert, vor allem auch körperlich. Im August 2014 beschrieben Journalisten der Süddeutschen Zeitung einen kranken Mann, dessen Hände stark zitterten. "Er sprach nicht über Krankheiten, sondern – wie immer – über das Große und Ganze und was zu tun sei, aber er wirkte wirklich nicht gesund. Er hat Herzprobleme, der Blutdruck ist zu hoch, Assange leidet seit Jahren an einer chronischen Lungenerkrankung; das Zittern der Hände war wirklich besorgniserregend."