Diversität ist ein großes Wort im deutschen Fernsehen: Mehr Frauen sollten weniger stereotype Rollen bekommen, mehr Schauspieler und Schauspielerinnen mit Migrationshintergrund müssten klischeefreie Charaktere spielen. Überhaupt sollte Diversität ganz selbstverständlich in eine Handlung integriert und nicht schulmeisterlich als "das Andere" vorgeführt werden, das man aber bitte respektieren sollte.

Soviel zum Wunsch. Viele fiktionale Eigenproduktionen sind weiterhin eine Bühne für Stereotype. Besonders sichtbar wird das in einem spezifisch deutschen Unterhaltungsformat: der Afrika-Schmonzette. Das Genre, das sich parallel zur massentouristischen Eroberung des Kontinents entwickelt hat, boomt seit gut zehn Jahren.

Die Geschichten sind immer neue Abwandlungen eines Plots, der in Jenseits von Afrika 1985 international gefeiert und nach dem Erfolg von Die weiße Massai von 2005 zigfach für das deutsche Fernsehen kopiert worden ist. Bis heute findet sich fast jede Woche eine Wiederholung davon im deutschen Fernsehprogramm.

Afrika-Schmonzetten vom Fließband

Der Zuschauer begleitet jeweils eine weiße, deutsche Titelfigur bei ihrer Selbstverwirklichung in ein afrikanisches Land, das als erotische Projektionsfläche, Abenteuerspielplatz oder Bühne für humanitäres Engagement dient. Die meist weibliche Protagonistin ist wahlweise auf der Suche nach familiären Wurzeln oder will eben diesen auf dem afrikanischen Kontinent entfliehen. Wie zufällig findet sie vor der Kulisse eines Landkrankenhauses, einer Farm oder einer Forschungsstation die große Liebe, berufliche Erfüllung, oder beides.

Die deutschsprachigen Fließbandproduktionen tragen auswechselbare Titel wie Für immer Afrika (ARD), Der Weg nach Afrika (ZDF), Eine Liebe in Afrika (ARD) oder Stürme in Afrika (ARD) und treffen verlässlich einen Nerv eines Millionenpublikums, was die Marktanteile der Erstausstrahlungen belegen, die sich zwischen 15 und 20 Prozent bewegen.

Cornelia Grobner hat an der Paris-Lodron-Universität Salzburg über Fremdheit und Othering im deutschsprachigen Unterhaltungsfernsehen promoviert. Sie lebt als freie Journalistin und Kommunikationswissenschaftlerin in Wien. © privat

Es ist einfach, die Afrika-Filme als ein seichtes, leicht konsumierbares und eskapistisches Angebot abzutun und aus Kritikersicht mag das ausreichen. Wer die Faszination für die populären Unterhaltungsformate mit Afrika-Setting ergründen will, muss tiefer gehen.

Betrachtet man die wiederkehrenden Themen, Handlungen, Motive und Strukturen des Formats, erkennt man, dass diese Filme verblüffende Parallelen zu den Heimatfilmen der Nachkriegszeit aufweisen. Beide Genres haben eine einfache Handlung und ignorieren psychologische Tiefen und historische Zusammenhänge. Im Vordergrund stehen eine Postkarten-Idylle, sentimentalisierte Milieus, emotional verklärte Landschaften und simple Lösungsmodelle zugunsten eines einfachen Weltbildes. Die Heimatfilme der Nachkriegszeit hatten die illusionäre Überwindung des kriegsbedingten Schuldgefühls zum Ziel. Es ging darum, Begriffe wie Männlichkeit und Deutschsein zu revitalisieren und den Heimatbegriff geradezurücken. Der typische Antagonismus von Gut und Böse, der sich im klassischen Heimatfilm in einem Stadt-Land-Gegensatz abspielt, wird in der Neuauflage auf Europa und Afrika erweitert.

Die Figurenkonstellationen der Filme sind austauschbar: In konfliktbeladenen Beziehungsdreiecken steht häufig eine Frau zwischen einem bösen und einem guten Mann, oder ein Liebespaar muss sich gegen einen bedrohlichen Widersacher verteidigen. Weitere genretypische Figuren sind der Heimkehrer, der reiche Retter, der Wilderer und der Schmuggler.

Die Rolle der moralischen Instanz, die im älteren Genre Förster und Gutsbesitzer innehaben, übernehmen in der afrikanisierten Variante weiße Respektpersonen im Milieu wie die Ärztin (Für immer Afrika), die Großgrundbesitzerin (Meine Heimat Afrika) oder der Entwicklungshelfer (Im Brautkleid durch Afrika).